Arbeitsplatz nach Rembrandt
Anmerkungen zu einer Installation von
Markus Draese
, 2009
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Arbeitsplatz nach Rembrandtist ein typischer Draese. Dies ganz im Gegensatz zum ersten, äußerlichen Eindruck, denn das Medium ist es allerdings nicht:
Bild 1: Rembrandt, Der Maler und sein Modell |
In Draeses Werk dominieren Ölmalerei und Zeichnung; dann folgen,
--- mit deutlichem quantitativem Abstand zu jenen und auch untereinander,
aber beide inhaltlich nicht weniger bedeutend, ---
Fotografie und Skulptur.
Eine Installation hingegen ist seltene Ausnahme.
Typisch allerdings, und charakteristisch, ist mehreres:
Bild 2: Arbeitsplatz nach Rembrandt, Skizze |
Der gleichsam "kaskadierende", sie in-einander-stöpselnde Umgang mit den
unterschiedlichsten Medien:
Ausgangspunkt ist eine (1) Radierung Rembrandts. (siehe
Bild 1)
Diese wird "nachgestellt" durch (2) eine transparente Raumkonstruktion,
ein "Drahtmodell" aus Hölzern und Latten (Bild 2),
in dem (3) eigene Skulpturen
und (4) objets trouvésangeordnet werden (Bild 3
bis Bild 8)
Diese Gesamtinstallation wird nicht nur vom Zuschauer direkt "erlebt" und
"erforscht", sondern ihrerseits wieder (5) fotografiert, auf daß sie
irgendwann (6) gemalt werde.
Die nicht ganz genaue Formulierung des letzten Teilsatzes führt ins Innerste des Konzeptes: Wenn (was aus verschiedenen Gründe bis jetzt unterblieb) aus der Installation Ölgemälde hervorgehen werden, dann wird eben nicht "die Installation" gemalt, sondern je einzelner Leinwand genau ein Blick auf diese, ein bestimmtes Foto, eine bestimmte Kombination von Standpunkt, Blickrichtung, Beleuchtung und momentaner Lage all derjenigen Objekte, die darin kinetisch sind.
Bild 3: Arbeitsplatz nach Rembrandt, Blick in die Installation |
Das Foto ist also das Medium, welches den Erlebnisvorgang der Installation
bewußt macht, indem es ihn eben nicht einfangen kann. Es ist
ein Scheibchen nur, ein Eingefrorenes, vielleicht eine
Pointe, aus einem Film, den der Besucher selbst dirigiert.
Die graphischen Korrespondenzen, die aus bestimmten Blickwinkeln aufscheinen,
gibt das Foto wieder, --- was fehlt, was vermißt wird, was ergänzt werden kann,
ist der Prozeß hinein und hinaus, das Umgehen und Umkreisen und
dann plötzliche Zur-Deckung-Kommen, was ja den "Witz" eigentlich erst "lustig"
macht (Bild 3, Bild 4, Bild 5)
All das fehlt im Foto, --- aber es kann auch in der Installation fehlen, wenn der Besucher es nicht hineinträgt. Die Fotos können somit auch als Gebrauchsanleitung dienen, --- eine Installation ist per seein emanzipatorisches Kunstverk, zu dem der Betrachter beitragen muß, damit sie funktioniere.
Bild 4: Arbeitsplatz nach Rembrandt, Blick in die Installation |
Und das Außen ist auch hineingeholt: Die Wandelemente sind leere Gefache, --- wie im heimatlichen Fachwerkbau, kurz bevor gewobene Wand-Weiden und Lehm eingebracht werden, --- oder wenn der Zahn der Zeit die zerfallene Kate zernagt hat. Die leeren Gefache sind Rahmen; die Rahmen sind unbespannt, aber gefüllt; sie sind gefüllt mit Realität. Mit der Realität der Installation, und der Umgebung.
Am deutlichsten, am witzigsten, am schönsten: Die Staffelei. Ein Rahmen über Rahmen, und wer die unsichtbare Leinwand füllt, das ist der Betrachter.
Er kann von vorne oder hinten, gerade oder schräg betrachten, und sieht dann weitere Rahmen im Rahmen, oder das Mauerwerk des Ausstellungsraumes, oder die Straße davor, durch die Fensterrahmen (Bild 6, Bild 7, Bild 8).
Bild 5: Arbeitsplatz nach Rembrandt, Blick in die Installation |
Bild 6: Arbeitsplatz nach Rembrandt, Die Staffelei als Rahmen |
Bild 7: Arbeitsplatz nach Rembrandt, Blick in die Installation |
Bild 8: Arbeitsplatz nach Rembrandt, Blick durch die Installation nach außen |
Bild 9: Arbeitsplatz nach Rembrandt, Blick von außen auf die Installation |
Dies korrespondiert zu Berlin, --- der Stadt der immer noch großen Lücken, die Kriegs- und Baulücken, die dankenswerterweise im Osten immer noch Luft lassen, --- die (noch!) Durchblicke bieten, Ausblicke, überraschende Konstraste, --- die die Realität des Zerfalls und die Ödnis des Neugebauten mit Berlins imposantesten Monumenten überhaupt, den Brandmauern, ... umrahmen.
Dräses Atelier in Essen-Rellinghausen, vor vielen Jahren, hatte eine Trennwand zum Wohnbereich aus ebensolchen Gefachen: fast alle mit Papier trüb ausgefüllt, wenige mit Spiegeln und verglast den einen oder den anderen Raum abbildend.
Die Rahmung als solche ist Symbol, Metapher und praktisches Experiment für "Wahrnehmung schlechthin", --- was gerahmt wird (oder auf einen Sockel gestellt) wird damit als Kunstwerk definiert, den Rahmen kann ich wahrnehmen oder übersehen, ein Rahmen ohne Inhalt wird zunächst als Widerspruch empfunden, der Rahmen ist die Spielwiese des Künstlers, der Rahmen ist das Arbeitspensum des Künstlers, der Rahmen ist das, was nicht verlassen werden darf, der Rahmen ist, was das Gebäude trägt.
Die Beispiele in der Kunstgeschichte von Velázquez
(
Las Meninas
)
bis Haus-Rucker-Co
(
Rahmenbau
, documenta 6)
sind vielfältig, widersprüchlich und positioniert fast immer an wichtigen
Berührungsstellen von Praxis und Theorie.
Bei Draese finden sich verschiedenste Beipiele, vielleicht am
wirkungsvollsten im Ölgemälde "Vorbereitung zum Arbeitsplatz": (Bild 10)
Es hat die Rahmenstruktur im Vordergrund (der in der Wahrnehmnung eher
als Hintergrund fungiert).
Die Installation "Arbeitsplatz nach Rembrandt" kann als spätere Umsetzung
desselben Gedankens mit anderen Mitteln gesehen werden, besonders, wenn amn
sie von außen betrachtet (Bild 9).
Bild 10: Draese, o.T. (Selbst Arbeitsplatz), 1999, Öl/Leinwand |
Allerdings, --- der Künstler fehlt.
Das Ölgemälde zeigt ihn ("noch"), sehr unscheinbar, beim
demütigen Arbeitsvorgang des Grundierens.
Die Installation nun spart ihn ganz aus, --- die hingworfne
Schürze allerdings (Bild 6)
zeigt, daß er "nur mal kurz verschwunden" ist.
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2012-03-07_19h59
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