Heile Welt und Unheil im Anmarsch
Synthetische Natur in Werke Gustav Mahlers
Markus Lepper, Mai 2010


Der Mensch schätzt, was er/sie vermißt.

Deshalb wird erst mit ihrer zunehmenden Bedrohtheit, beginnend mit der Neuzeit, "unberührte" und "unbeschädigte Natur" in allen Gattungen europäischer Kunst zunehmend zur Metapher für Nicht-Entfremdung, spirituelle Heimat und politische Utopie. In der Musik ist eine Hochphase mit der Spätromantik erreicht, mit Wagner, Bruckner und Mahler, mit Smetata, Dvorak und Raff.

Dem entspricht eine zweite, unabhängige Entwicklungslinie, in der die musikalische Komposition ihre "natürlichen Grundlagen" punktuell, aber deutlich auf die Ebene der bewußten Reflexion, Gestaltung und Rezeption hebt.

Beide Entwicklungen werden in der beginnenden Moderne fortgesetzt, aber bald in andere stilistische Gestalten und programmatische Haltungen dialektisch umschlagen, und so unsere musikalische Umwelt bis heute stark beeinflussen.

Der Vortrag will an Beispielen des sinfonischen Schaffens Gustav Mahlers (1860-1911) dessen programmatischen und ästhetischen Umgang mit den Begriffen von "Natur und Umwelt" aufweisen, und seine sowohl exzeptionelle als auch typische Stellung an einem wichtigen Umschlagspunkt dieser beiden Entwicklungslinien.


1          Mahler und der Beginn der Musikalischen Moderne
1.1          Werk und Rezeptionsgeschichte
1.2          Der Umbruch zur Meta-Musik
1.3          Erste Folge des ersten Bruches: Natur und Kultur werden problematisch
1.4          Weitere Folge des ersten Bruches: Zitat, Collage und Montage als grundlegende formale Techniken
1.5          Nervöse Verfaßtheit und Politische Lage
2          Wie Naturlaute
2.1          Arkadien, die unberührte und nährende Natur
2.2          Der Anfang der Ersten Sinfonie
2.3          Lieder und "Lieder"
2.4          Das Problem des Anfangens
2.5          Der innere Klang
2.6          Natürliches und Kultürliches in gegenseitiger Verschränkung
2.7          Der Wendepunkt der Zweiten Sinfonie
2.8          Das Posthorn im Walde, resp. in der Dritten Sinfonie
2.9          Der Schluß vom Lied von der Erde
A          Materialien
A.1          Die frühen Sinfoniesätze und ihr Bezug zu den Liedern
A.2          Zeittafel
A.3          Texte
A.3.1          Lieder eines fahrenden Gesellen
A.3.2          Ablösung im Sommer
A.3.3          Das Lied von der Erde
         Bibliographie


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Liste der Hörbeispiele
1 Anfang des ersten Satzes der Ersten Sinfonie
2 Die Umbruchstelle (Mitte) des letzten Satzes der Zweiten Sinfonie
3 Schluß des dritten Satzers der Dritten Sinfonie
4 Schluß des sechsten (letzten) Satzes aus dem Lied von der Erde


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Liste der Notenbeispiele
1 Anfangsklang und -sequenz der Einleitung zur der Ersten Sinfonie
2 Einleitung der Ersten Sinfonie: Quarten, Verdichtungsprozess und Themeneinsatz.
3 Zusammenbruchsstelle zu Beginn der Coda des dritten Satzes der Dritten Sinfonie

^Inh 1 Mahler und der Beginn der Musikalischen Moderne

Vorbemerkung:
Dies ist eine erweiterte Fassung des Vortrages, den der Autor auf Einladung der Dozenten im interdisziplinären Seminar "Die Rolle der Umwelt in virtuellen Welten" im Sommersemester 2010 an der Universität Bayreuth halten durfte.

Dies, wohlgemerkt, aus der Perspektive eines Komponisten, nicht aus der des Musikologen, --- also von einem, der bei seinem großen Kollegen durchaus in die Lehre gegangen ist, und der für ähnliche formale und satztechnische Aufgabenstellungen ähnliche oder ganz andere Lösungen sich selbst erarbeiten durfte.
Dies hat zur Folge einerseits natürlicherweise eine mehr oder weniger persönliche Sicht auf die Dinge, aber auch grundsätzliche eine gewisse Art von Innenansicht, die sich nur durch das "Selber-Machen" ergeben kann.

^Inh 1.1 Werk und Rezeptionsgeschichte

Das Werk des Komponisten Gustav Mahlergilt allgemein als der Übergang von angestaubtem 19ten Jahrhundert in die zeitgenössische Moderne. Er lebte von 1860 bis 1911 und schuf seine Werke zumeist in den zehn Jahren vor und nach der Jahrhundertwende. Er war einer der bedeutendsten Dirigentenpersönlichkeiten seiner Zeit, als langjähriger Chef der Wiener Hofoper einer der einflußreichsten Musik-Manager und gleichzeitig engagierter Reformer und Entrümpeler des Opernbetriebes.

So schuf z.B. der einer jüdischen Familie entstammende Mahler zusammen mit dem Maler und Bühnenbildner Alfred Roller einen neuen Stil, mit gesamt-künstlerischer Inszenierungen z.B. von Rienzi und der Walküre, die genau in dem Jahr, da er Wien verließ um seine letzte Stelle in New York anzutreten, den jungen Adolf Hitler noch begeisterten ([toland, S.57]).

Als Komponist war er zeitlebens sehr umstritten, hatte eine begeisterte kleine Anhängerschaft, erntete aber in der breiten Öffentlichkeit meist Häme, Spott und Anfeindung, --- bis auf wenige Triumphe, wie die Uraufführunge der Achten Sinfonie in München 1910 kurz vor seinem Tode.

Die Etablierung seiner Musik gelang erst in den 1960er Jahren, im Zuge der sogenannten "Mahler-Renaissance". Diese wurde nicht zuletzt vorangetrieben durch eine vielbeachtete, heute noch maßgebliche Monographie Adornos [adorno] . Bald entwickelte Mahler sich zu einem der im Konzertsaal weltweit meistgespielten Komponisten, und ist das bis heute geblieben. (Eine umfassende Darstellung findet sich in [schlueter, pg. 14ff.])

Großen Einfluß hatte er zu Lebzeiten auf Schönberg und dessen Schüler Berg und Webern. Die Entwicklung der frühen Atonalität, aus der sich die berüchtigte "Zwölftontechnik" entwickeln sollte, wurde durch sein Werk maßgeblich beeinflußt. Allerdings auch durch zeitlich viel fernerliegendes, wie Bachsches und Beethovensches Spätwerk und den Tristan.

Im Gegensatz zu jenen Älteren, bei denen erst das Spätwerk die jeweils zeitgenössischen Grenzen transzendierte, treten in Mahlers Werk gleich zwei fundamentale und weit in die Musikwelt ausstrahlende Brüche ein, und zwar der erste schon bald nach Beginn seines Schaffens, mit der Ersten Sinfonie.

Der zweite Bruch erfolgt dann viel unauffälliger, verdeckter, als ein erster Schritt in die "freie Tonalität", zum Ende seines Schaffens, ab der Achten Sinfonie. Ihm wird sich dieser Vortrag am Ende kurz zuwenden.

^Inh 1.2 Der Umbruch zur Meta-Musik

Aber allein der erste Bruch reicht schon hin, um die Ablehnung durch die Zeitgenossen verständlich macht. Er ist Mahlers Schaffen inhärent, und bedeutet eine grundlegende Abkehr von den traditionellen Produktionsvoraussetzungen der Komposition.
Die an deren Stelle getretene neue Haltung mag ihm selbst nicht zu Gänze bewußt geworden sein, wird aber inzwischen von fast allen Analytikern als konstitutiv eingeschätzt, wenn auch sehr unterschiedlich akzentuiert und formuliert.

Die von uns gewählte Blickrichtung formuliert diese "neue Haltung" wie folgt:
Mahlers Bedeutung als Komponist besteht darin, daß er darauf reagierte, daß es nicht mehr möglich ist, überhaupt zu komponieren.

(( Andere formulieren es zugespitzter: Heiz-Klaus Metzger in [metzger] : "Als erster Komponist hat Mahler erkannt, - und das mach ihn zum wichtigsten Komponisten der Musikgeschichte -, daß man [...] überhaupt nichts mehr komponieren kann", Hervorhebung von mir. Und Ruzicka sagt (nach [schlueter, S. 14]), daß "Mahler als größter Musiker aller Zeiten gelten [darf].")

Alles ist gesagt, jede Notenfolge wurde schon einmal geschrieben, es gibt genug Musik für jeden Zweck und jeden Anlaß, die Gipfelwerke der Geschichte (Die Kunst der Fuge, die Letzten Quartette, Tristan und Parsifal, Bruckners Neunte) sind eh' an Eindruckskraft und Ausdrucksstärke nicht zu übertreffen.

"Es gibt nichts Neues unter der Sonne", --- auch die Musikproduktion mußte nun einsehen, daß sie sich zwar ein paar Jahrhunderte über diese tiefe Wahrheit hatte hinwegtäuschen können, daß aber letztlich die Abgeschlosseneheit des Materials und, viel wichtiger noch, die Wirkungsweise des menschlichen Rezeptionsvermögens auch ihren Bemühungen um Immer-wieder-neu-Sein eine unüberschreitbare Grenze setzt, die umso deutlicher erkannt wird, je tiefer das Material durchdrungen wird und auf seine strukturellen Grundgesetze als solche erkannt. Komposition als Forschung hatte sich selbst das Wasser abgegraben.

Zu diesem Standpunkt mußte ein ehrlicher, musikalisch gebildeter und nicht gerade naiver Mensch am Ende des 19ten Jahrhunderts relativ schnell gelangen.

Auf der Ebene der konkreten Ausprägung heißt das: Es war bisher noch möglich, einfach eine "Melodie mit Begleitung" zu Papier zu bringen, und durch diesen Akt einen neuen Militärmarsch oder einen neuen Walzer oder ein Lied oder ein Klavierimpromptu hervorzubringen, also: zu konstruieren und zu pro-duzieren, --- je nachdem, welche Besetzung man darüber schrieb.

Dies aber ist, aus oben aufgezählten Gründen, eigentlich nicht mehr sinnvoll.

Das Einzige was noch geht, ist, diese Genres, Satzformen, Topoi gleichsam zu zitieren, Notenfolgen zu schreiben, bei denen durch Vortragsbezeichnung, Lautstärke, Bindebögen, Instrumentierung, etc., ein "von Natur aus neutrales" Orchester plötzlich Walzer, Lieder, Scherzi hervorbringt und klingt wie ein verstimmtes Klavier, eine Militärkapelle, ein Streichquartett, ein Kurorchester. Dies kann dann als Träger einer Semantik benutzt werden, die in der Kontrastierung solcher Topoi wieder in der Lage sein wird, gültige Aussagen zu konstruieren.

Mit anderen Worten: Die Musik ist sich der Tatsache bewußt, daß hier musiziert wird, --- daß hier unter je anderen spezifischen Bedingungen Musik pro-duziert wird. Diese Bedingungen sind aber auch wirtschaftliche, politische, soziale. Der Leierkastenmann am Ende von Schuberts Winterreise ist halt ein Bettler, und die Militärkapelle wird aus Mahlers Sinfonie hinausziehen auf das Feld der Ehre und in das Gemetzel des Weltkrieges.

Dies ist der entscheidende erste Bruch in seinem Werk: Es ist ein Werk des "als-ob", es gibt keine Un-Hinterfragbarkeit mehr, es gibt keinen Grund, eine Sinfonie zu schreiben, aber innerhalb der Sinfonie gibt es Gründe für die Militärkapelle, ihren Marsch zu spielen.

Musik wird Meta-Musik, und Sin-fonie wird Weltbild.

^Inh 1.3 Erste Folge des ersten Bruches: Natur und Kultur werden problematisch

Eine unmittelbare Folge dieses "Schrittes in die Bewußtheit" besteht in zwei gegenläufigen Bewegungen:
Einerseits werden die physikalischen Grundlagen der Instrumente und der Tonhervorbringung zur Ehre eines kompositorischen "Themas" erhoben. Andererseits werden kulturell vermittelte Dinge wie "Satzstrukturen" scheinbar zu bloßem Material erniedrigt, und zwar simple Gassenhauer gleichermaßen wie elaborierte Doppelfugen, unabhängig von ihrer internen Komplexität.

^Inh 1.4 Weitere Folge des ersten Bruches:
Zitat, Collage und Montage als grundlegende formale Techniken

Die auffallendste der konkreten Folgen dieser musik-philosophischen Grundhaltung besteht nun darin, daß in den Kontext einer solchen Sinfonie hinein alle nur denkbaren musikalischen Formen und historischen Ausprägungen integrierbar sind, --- ja, integriert werden müssen, da es eine "eigene" a-priori Substanz des sinfonischen Werkes nicht mehr gibt.

Das "Hineinnehmen" nicht-synthetischer Inhalte in die Kunstmusik ist ein uralter Vorgang, der zu allen Zeiten der bekannten Musikgeschichte auftritt, allerdings in durchaus wechselnder Intensität und unterschiedlicher Art und Weise:
Mittelalterliche Weisen imitieren Vogelstimmen, Madrigal und Motette der Renaissance ahmen mit vokalen Mitteln Posaunen, Gitarren und ferne Kirchenglocken nach (di Lasso, Zarlino, Gesualdo), eine Bachsche Violinsonate integriert in den Kontext komplexester Polyphonie die Rohheit des Bauerntanzes (BWV 1002), das Plätschern ihrer Quelle steht am Anfang beider "Moldaus".

Sämtliche akustischen Phänomene, entstammend sowohl der "Natur" als auch anderen "musikalischer Sphären", sind prinzipiell in die Kunstmusik integrierbar. Sind sie aber einmal als Material erst aufgenommen, dann gelten nur noch die kunst-immanenten Prozess- und Verarbeitungs-Vorschriften, dann gilt die reine kompositorische Logik:

So wird z.B. in G. F. Händels berühmtem Orgelkonzert F-Dur HWV 295, genannt "Der Kuckuck und die Nachtigall", ersterer repräsentiert durch die fallende kleine Terz. Dieses aller-primitivste musikalische Motiv (ein musikalisches Motiv mit weniger als zwei Tonhöhen ist sehr selten, ein melodisches gar unmöglich !-) wird dann allerdings Gegenstand musik-immanenter Verarbeitung: Das Intervall wird in Kontexte gestellt, die mit Mitteln (a) der Harmonik-Gestaltung und (b) der metrisch organisiertenen Kontrapunktierung definiert werden und (c) der ständig stattfindenden funktionalen Umdeutung einen absolut-musikalisch zu genießenden Verdichtungs-Prozess überordnen, der als das eigentliche musikalische Thema des namensgebenden Satzes dieses Konzertes zu hören ist. Höhepunkt ist die Umdeutung und Umbiegung der kleinen Terz in die verminderte Septime, ein Intervall, das nur in genau definierten, elaborierten harmonischen Kontexten überhaupt existieren kann. Dies ist ein Vorgang von "kosmischem" Ausmaß, des in die tiefsten Bereiche der Musikwahrnehmnung kompositorisch(/"manipulierend") eingreift, und der erst in den späten Streichquartetten Beethoven's zum historischen Höhepunkt geführt wird.

Dies wird hier von Händel gleichsam "im Vorübergehen" abgehandelt, und dazu noch, durch die Art des angeblich zitierten Natur-Materials, zusätzlich in seiner Bedeutungsschwere verdeckt.

Ähnliches gilt für alle derartigen externen Materialien, egal welcher Provenienz: Einmal in den Magen der Kunst aufgenommen, von der Amöbe Kunstmusik inkorporiert, gelten nur noch deren Regeln, nämlich die von Kontrapunkt und Harmonielehre, von Prozess und Steigerung, von Erwartung und Bruch.

Diese "Internalisierungsregel" und die Fülle der historischen Vorbilder berücksichtigend, scheinen uns heute die integrativen Bemühungen Mahlers längst nicht mehr so schockierend wie seinen Zeitgenossen.

Auch seine direkteren Vorgänger in der "absoluten Musik", also besonders in der Sinfonik, haben diesen historischen Prozeß ja mit fortgeführt: Beethoven integriert einen Kanon in seine Achte, Mendelssohn den Chor in seinen Lobgesang, Bruckner Kirmestänze und Jagdhorn-Geschmetter in seine Romantische Sinfonie.

Selbst der große Antipode aller "Neutöner", der doch stark den "Absolutheits-Anspruch" der Kunstmusik, ihre "Unberührtheit" hochhaltende Brahms ließ gar das Alphorn in seine so hart erkämpfte Erste.

Wahr ist allerdings, das Mahler von Anfanng an, mit deutlichster Entschiedenheit, weiter ging als alle diese:

  1. Im Schlagwerk finden sich tiefe Glocken, "Rute", Xylophon, Glockenspiel, ein eigens konstruierter "Hammer" und ein von der Tonhöhe her unbestimmes "Herdengeläute", das aus weiter Entfernung leise dazwischenbimmeln soll.
  2. Darüber hinaus im Orchester: Tenorhorn, Posthorn, Mandoline, Gitarre, Orgel, Klavier, Celesta.
  3. Satztechnisch finden sich Kanons, Fugati, Streichquartette, Kinderlieder, Dorftänze, Walzer, Trauermärsche, Angriffsmärsche, Zirkushymnen, Choräle und Cluster.
  4. Die verwendeten Texte gehen vom gefälschten Volkslied aus Des Knaben Wunderhorn über Klopstock und Nietzsche, bis hin zum Pfingsthymnus Veni Creator Spiritus und der Schlußszene aus Faust II.

Niemals jedoch, und das kann wohl nur aus dem heutigen zeitlichen Abstand beurteilt werden, ist irgendeines der eingesetzten Mittel auch nur im geringsten "beliebig". Bei aller Fülle ist alles an seinem Platze notwendig, begründbar, ja --- unverzichtbar. Mahler selbst hat gekürzt, gestrichen, ausgedünnt, wo immer es ihm möglich schien, in allen Lebensphasen eines Werkes, und immer im Interesse möglichst hoher Deutlichkeit des gemeinten Inhaltes, sei dieser ein außer-musikalischer oder, viel häufiger indes, ein rein-musikalischer.

(( So verwendet er erstaunlicherweise an keiner einzigen Stelle Wagnertuben, die doch selbst der so konservative Bruckner, der sich sogar gegen die Harfe sträubte, in seine Sinfonien VII bis IX einließ. ))

Daß die zeitgenössische Rezeption eher die Hypertrophie als die Sparsamkeit sah, ist fast zwangsläufig.

Auch die sich im Laufe der Jahre langsam sammelnden Befürworter, ja, Enthusiasten, sahen dann (und sehen bis heute) mehr den Neuerer, den Erfinder von Montage und Collage, den Zertrümmerer der Form, als den Klassiker, der mit neuen Mitteln neue Themen behandelt, aber dennoch im Handwerk, bezüglich Architektur und Faktur, nichts anderes tut als alle Generationen vor ihm, nämlich die Regeln von Kontrapunkt, Harmonielehre und formaler Gestaltung entsprechend seinen persönlichen Erfahrungen weiterzuentwickeln.

Der Mahlersche Anspruch an das eigene Schaffen ist (a) ein integrativer, und (b) ein politischer:

"Symphonie heißt mir eben: Mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen" ([bauerlechner, S. 35], nach [baur, S. 74])

Dieses berühmte Zitat hätten Schumann und Brahms so nicht aussprechen wollen, --- obwohl sie natürlich auch nichts anderes taten, als "ihre Welt" zu schaffen, z.B. die Welt der Brahms'schen Kammernusik, etc.

Dieser integrative Anspruch könnte im historischen Kontext gesehen werden als eine Reaktion auf die (auf der Seite der "Neutöner") entstandene Prä-Dominanz der Oper: Als ein Re-integrieren der satztechnischen und materialzitierenden Freiheiten aus der Welt der Oper hinein in die "absolute Musik" der Sinfonik. Daß es von dort Einflüsse, Anregungen, ja, direkte Vorbilder gibt, --- besonders durch den von ihm wohl am meisten verehrten Vorläufer, --- ist nachweisbar.

So scheint das Fernorchester, daß im Finale II/5 gegen die klagenden Oboen- und Posaunen(!!)-Seufzer aus dem Orchster zum munteren Tanze aufspielt, direkt aus einer Aufführung des zweiten Aktens von Lohengrin herbeigeeilt zu sein.

^Inh 1.5 Nervöse Verfaßtheit und Politische Lage

Noch viel stärker und viel konkreter als durch ästhetisch/historische Überlegungen jedoch ist Mahlers exorbitanter Integrations-Wille bedingt durch eine duchaus ernstzunehmende inhaltlich/politische Position:
Diese sagt, daß (a) die "reale" Welt, die zeitgenössiche Umwelt, halt "so ist wie sie ist", nämlich vielgestaltig, zerrissen, disparat, widersprüchlich,
und daß (b) die künstlich/künstlerisch zu schaffende Welt sich nicht allzuweit von dieser zerrissenen realen entfernen dürfe, damit nämlich
(c) innerhalb dieser Sinfonie-Welt dann durchaus relevante und konkrete Aussagen getroffen werden können, z.B. über zukünftige Konsequenzen, persönliche Auswirkungen, aber auch mögliche Alternativen des Beobachteten.

Mahler war, wie fast alle bedeutenden deutschen Komponisten, ein äußerst vielseitig interessierter und politisch/philosophisch bewußter Intellektueller:
Er beschäftigte sich nicht nur intensiv mit Schopenhauer und Nietzsche (weniger, aber selbstverständlich auch, mit Kant) sondern las auch Darstellungen zeitgenössischer Physik, Physiologie, Psychologie, kannte die letzten Entwicklungen der beginnenden Psycho-Analyse. Über all diese Themen korresponierte und kommunizierte er, sowohl mit den Fachleuten als auch mit ähnlich interessierten Laien, Auf allen Gebieten seines Interesses hatte er selbstverständlicherweise eigene, differenzierende, kritische und begründete Standpunkte, las z.B. Freud als auch Fechner ([schulzW, S. 263]), zu vielem äußerte er Ansichten, die auch von einem Profi stammen könnten, so z.B. über die Wirkungsstärke der Schwerkraft in kosmischen Dimensionen, vgl. Brief an R. Horn, [briefe, S. 342]).

Er sah sich als einen modernen, "informierten" Menschen, den prinzipiell alle Fragen wissenschaftlicher Erkenntnis "etwas angehen".

So auch politisch: Wenn auch nie parteilich organisiert, so wählte er doch sozialistisch, ging am ersten Mai auf Demonstrationen, bezeichnete die Arbeiter als "das Publikum der Zukunft" ([staehr, S. 219]) und erklärte auf dem Kirmesplatz, wo die Kapellen und Musikautomaten durcheinanderplärrten, daß er "hierher seine Polyphonie habe" (beides [bauerlechner, S. 165], nach [staehr, S. 219/220])

((Übrigens: Welch bemerkenswerte Übereinstimmung mit den Erfahrungen des jungen Charles Ives, den sein Vater angeblich auf den Kirchturm führte, um mit ihm die Mischung der verschiedenen, unabhänigig von einander musizierenden und auf einander zu marschierenden Blaskapellen zu genießen. ))

Im "Fall Mahler" liegt vor, was bei Künstlern, egal welcher Gattung, häufig ein zentrales Moment ihrer historischen Bedeutung wird: Die persönliche Verletztheit und Verletzbarkeit, die "private" Verunsicherung und Unsicherheit, wird zum Resonator für die allgemeine, verbreitete, gesellschaftliche Bedrohtheit. Diese prägt sich bei den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, Schichten, Milieus, ja, gar bei jedem einzelnen Individuum, nämlich je unterschiedlich aus. In diesem Falle: der Industriearbeiter, der immer mehr an den Rand gedrängte "kleine Selbstständige", der verarmte Adel, die von Leerheit und Langerweile geplagte Offizierskaste, die nutzlosen, nicht unterzubringenden "jüngeren Brüder", die fern-regierten Balkanvölker, die deutschstämmigen Wiener (fast schon Minderheit in der Stadt), die in die Städte strömende Landbevölkerung, die integrierten Juden und die Hinterwäldler, die etablierten Künstler, die Hungerkünstler und der Postkartenmaler, die Forscher und die Techniker --- sie alle erlebten die letzten Jahre des k.u.k-Reiches selbstverständlich aus völlig unterschiedlicher Perspektive, mit ganz unterschiedlichem Grundgefühl und nahmen durchaus verschiedenes wahr.

Gemeinsam aber muß ihnen (das scheint sich heute mehr oder weniger genau und zwingend rekonstruieren zu lassen) gewesen sein ein Grundgefühl von "Bedrohtheit" oder "Unsicherheit" oder "Endzeitstimmung". Daß die politische und wirtschaftliche Situation, geprägt durch die sich exponentiell beschleunigende industrielle Revolution, im Flusse war, war allen klar. Das dieser Fließ-Zustand aber kein Fließ-Gleichgewicht war, daß die Entwicklung in eine Katastrophe führen könnte, --- davor hat wohl fast jede der erwähnten Gruppen auf je andere Art und Weise die Augen verschlossen. Die einen mit Fatalismus, die anderen mit Fanatismus, und letztlich waren alle hilflos.

Nicht viel anders war die Lage wenig weiter nördlich, im wilhelminischen Reich. Zwanzig Jahre nach seinem Tode, so soll Bismarck gesagt haben, werde "der große Krach kommen." (nach [toland, S.103]) Er starb 1898.

Dieser durchaus berechtigte Bedrohtheits-Instinkt gewinnt in den zersplitterten gesellschaftlichen Gruppen völlig unterschiedlichen Ausdruck: Von der "Feier der decadence" über das "Unbehagen an der Kultur" bis hin zum organisierten Arbeiterkampf. Diese Unterschiedlichkeit geht bis zur Gegensätzlichkeit, kann so sich leicht neutralisieren und das Gemeinsame unsichtbar machen.

Der schaffende Künstler ist es dann (allein schon dadurch, daß er zur Hervorbringung seines Produktes die eigene Befindlichkeit, das eigene Unbehagen wenigstens in einem minimalen Maße ernstnehmen und erforschen muß), der die allen gemeinsame subkutane Strömung empfindet, darstellt, ausdrückt. Gegenstand der künstlerischen Darstellung ist also, trotz aller Intimität ihrer ursprunglichen Motivation, des Herstellungsvorganges und ihres vermeintlichen Zweckes, -- oder gerade wegen dieser ?---, nicht ein wenig relevantes "persönliches Gefühl", sondern ein allgemein-gesellschaftliches Empfinden, und damit harte politische Realität:

Leonard Bernstein geht mit Sicherheit zu weit, wenn er Mahler die Vorahnung sämtlicher Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts zutraut, bis zur Ermordung Kennedys ([bernstein, S. 179], nach [staehr, S.221]). Fest steht allerdings für den Vortragenden, daß die erste dieser Katastrophen, der Zusammenbruch der beiden "deutschen" Kaiserreiche und die Suspendierung aller Zivilisation im "Weltkrieg" sich in Mahlers Musik auf das deutlichste abzeichnet !

Es ging ihm stets darum, psychologische Wirklichkeit darzustellen: Das Böse, das Verlorene, das Verzweifelte, das Abgetrennte. Daß er dies zunächst innerhalb des Individuums sucht und findet, wurde von der Geschichte seiner Kunstgattung nahegelegt, die sich seit den letzten hundert Jahren, seit den Wiener Klassikern, als "Individialpsychologie" geriert hatte. Daß diese individuellen Verletztheiten und Psychopathologien dann umschlagen in den kollektiven Wahnsinn des Weltkrieges ist eine historische Folge, ein Verdichtungsprozess, der außerhalb jeglicher Kunst stattfinden wird.

In wichtigen Passagen Mahlerscher Sinfonik aber kündigt sich diese Ent-Persönlichung, diese Kollektivierung schon an, --- in den Kampfmärschen, den Trauermärschen und in den Axthieben des "Hammers". Erst Jahrzehnte später, in einer ganz anderen, noch viel schrecklicheren Welt, werden diese Satzstrukturen, ins Positive gewendet, ihre Rehabilitierung finden, in Schostakowitchs trotziger Sinfonie aus dem verhungernden Leningrad.

^Inh 2 Wie Naturlaute

^Inh 2.1 Arkadien, die unberührte und nährende Natur

Aber Mahlers Sinfonik wäre nicht ernstzunehmende Musik, wenn sie nicht zutiefst dialektisch wäre. Zunächst einmal heißt das, daß selbstverständlich zu all dem Kranken, Verstümmelten und Grausamen auch der Gegenentwurf seinen Platz erhält: Das Schöne, der Frieden, die Utopie. Im zweiten Schritt heißt es, daß das eine in der Gestalt des anderen erscheint.

Hier nun nähern wir uns endlich unserem eigentlichen Thema !-)
Mahler als politisch denkender und empfindender Künstler hat selbstverständlich nicht nur das persönliche Unbehagen an seiner eigenen, durch frühkindliche Traumatisierung fragilen Situation, sondern auch durchaus vernünftige, wohldosierte Vorstellungen einer "möglichen besseren Welt".

Diese nun wird symbolisiert, repräsentiert, ja, wie wir sehen werden, sogar rezeptionspsychologisch realisiert , in einem bestimmten idealen Begriff von "Natur", der auch "heile Welt" oder "unschuldige Vergangenheit" genannt werden könnte.

Damit steht er sicherlich nicht allein: Goethes "Arkadien" aus Faust II ist nur ein Hochpunkt eines durchgehenden Stranges:
"Und mütterlich im milden Schattenkreise
quillt laue Milch bereit für Kind und Lamm
Obst ist nicht weit, der Eb'ne reife Speise
und Honig trieft vom ausgehöhlten Stamm"
([goethe, Band 3, Faust, Vers 9146])

Dessen weitere Stationen sind Werke von Stifter, von Keller, Drittklassiges wie von Löns, in der anderen Zeitrichtung: die Schäferspiele des Barock, bis zurück zu den Eklogen des Vergil und den Idyllen des Theokrit.

Die Konstruktion ist immer sehr ähnlich, und stets zwei-schrittig:

Erstens:
Der Mensch, nahe an der Natur lebend, vertraut mit ihr lebend, werde von ihr liebend ernährt, ohne daß Technik, Industrie, Gewinn- und Machtstreben sich versklavend und erniedrigend zwischen ihn und sie stellt, zwischen ihn und seinen Mitmenschen, zwischen ihn und die Grundnahrungsmittel.

Zweitens:
In sehr ferner (oder auch in durchaus näherer) Vergangenheit war das tatsächlich so!

Fügt man dieser Konstruktion noch den "Sündenfall" als Grund für das Ende dieser paradiesichen Zustände hinzu, so hat man einen bestimmten Typ christlicher Mythologiebildung.

Spiegelt man sie in der Zeit und im Gehalt (also: zukünftiges Wohlsein dank technischer Produktion), dann hat man die sozialistische Utopie.

Da sie diesen beiden Utopien nicht (oder zumindest: nicht genau) entspricht, eignet die arkadische Utopie sich in besonderem Maße für eine künstlerische Umsetzung, die (a) aus persönlicher Betroffenheit kommend die ganz persönliche Emotion des Rezipienten erreichen will, dabei (b) die konkrete Art und Weise der politische Umsetzung der angestrebten "Erlösung" durchaus grundsätzlich offen lassen will (wenn auch nicht vollständig!), da sie (c) meint, grundlegendere Wahrheiten auszusprechen als konkrete parteipolitische Programme das könnten.

Das jegliche Natur Metapher sein kann, sagen Held und Dichter der Lieder eines fahrenden Gesellen in dessem letzten espressis verbis:

Wenn ich in dem Himmel seh',
Seh' ich zwei blaue Augen stehn.
O Weh!
Wenn ich im gelben Felde geh',
Seh' ich von fern das blonde Haar
Im Winde wehn.
O Weh!
[...]
Ich wollt', ich läg auf der schwarzen Bahr',
Könnt' nimmer die Augen aufmachen!

Verwendet als Utopie ist "Natur" selbstverständlich immer synthetisch, schon ihrem Begriffe nach. Dies allerdings auf der Ebene des Konzeptes, auf recht banale Weise. Ihre praktische künstlerische Umsetzung impliziert dann aber eine Fülle von "Künstlichkeiten" auch auf der Ebene der konkreten Faktur.

^Inh 2.2 Der Anfang der Ersten Sinfonie

Als Mahler 1889 seine Erste Symphonie uraufführte, hatte er eine Reihe von Klavierliedern und eine große sinfonische Kantate "Das klagende Lied" vorgelegt.

Das Werk beginnt auf eine eigene Weise, wie vorher wohl noch nie ein Werk begonnen hat: Der Ton "a", der Kammerton, auf den das Orchester kurz vorher eingestimmt hat, wird in einem über fast fünfzig Takte ausgehaltenen Klang von den Streichern intoniert, und zwar (a) im dreifachen piano, (b) vom Kontra-A bis zum viergestrichenen a über sieben Oktavlagen verteilt, und das (c) als Flageolett-Ton hervorgebracht.
Darüber stehen als Tempoangabe und Vortragsbezeichnung "Langsam. Schleppend. Wie ein Naturlaut.".

Kurt Masur,New York Philharmonic, TELDEC 0630-17232-2
Track I, 0:00 bis 3:50
Live Recording von April 1992
5:40 exp wdh!
7:40 df

Hörbeispiel 1: Anfang des ersten Satzes der Ersten Sinfonie
Anfangsklang Mahler I/1
Notenbeispiel 1: Anfangsklang und -sequenz der Einleitung zur der Ersten Sinfonie

Dies ist in mehrfacher Hinsicht befremdlich. Betrachten wir zunächst den physikalischen Aspekt der Tonproduktion:

Die sog. "Flageolett-Töne" der Streicher werden hervorgebracht, in dem ein Finger an einem Teilungspunkt der Seite (z.B. an einem Viertel) nur sehr leicht aufgesetzt wird. Normalerweise schwingt eine gestrichene Seite in einer Überlagerung von Schwingungen; Am stärksten auf ganzer Länge, dann --- wesentlich weniger stark --- gegenläufig in ihren beiden Hälften. Dies geschieht mit doppelter Frequenz und mit einem Ruhepunkt ("Schwingungsknoten") genau in ihrer Mitte. Dazu, wiederum leiser, in drei Dritteln mit dreifacher Frequenz, in vier Vierteln mit vierfacher, u.s.w.
Jeder dieser als unabhängig auffassbaren Schwingungen bringt einen sog. "Partialton" hervor, und zusammen, in ihrem charakteristischen Mischungsverhältnis, besonders aber durch dessen geringen Veränderungen über der Dauer des gespielten Tones, bilden diese den charakteristischen Klang jeden Instrumentes.

Beim leichten Berühren eines solchen Schwingungsknotens, wie eben bei der Flageolett-Technik, entsteht ausschließlich diese eine ihm entsprechende Teilschwingung, und das produzierte akustische Signal kommt nahe an den "Sinuston", wie er heutzutage elektronisch produzierbar ist, und wie er als Bestandteil der natürlichen Schwingungen u.a. von Helmholtz 1863 entdeckt und behauptet wurde [helmh_ton].

Die am Anfang der Ersten Sinfonie nun im Orchester vorgenommene Mischung der verschiedenen Streicherstimmen, (die jeweils einen fast reinen Sinuston spielen, der also selbst wie ein Partialton wirken kann), führt nun zu einem Klang wie von einem "synthetischen Instrument", --- zu einem Klang, der nur Oktaven enthält, also den zweiten, vierten, achten, sechzehnten, bis zum vierundsechzigsten Partialton nur Frequenzen, die Potenzen der Basis zwei (2) sind, und überhaupt keine anderen !

Dieser Klang aber ist keinesfalls ein "Naturlaut", sondern vielmehr so ziemlich das Gegenteil, etwas ziemlich Un-natürliches! Künstlerische Aussagen sind eben keine naturwissenschaftlichen, sondern können durchaus dialektisch gemeint sein, müssen erst einmal durch ihr Gegenteil hindurchgehen.

Verfolgen wir, wie's weiter geht, und ob diese Vortragsbezeichung auf das folgende vielleicht besser zutrifft:

Dieser zunächst tonal völlig unbestimmte Klang gerinnt schrittweise zu einer d-moll Tonalität: Hinein in die a-Fläche tönen nun zögerlich verschiedenstartige musikalische Fragmente, oder "Fragmente von Musik", oder "Fetzen von ehemals Musikalischem" oder auch "Vormusikalisches":

  1. Abstrahierte Trompetenfanfaren, pianissimo wie aus weiter Entfernung herüberklingend.
  2. Hornmeldoien, als würde ein Korps kranker Jäger das Ende der von ihm selbst erlegten Kreatur beklagen,
  3. Kaskaden oder Echos grell aufschreiender Vogelrufe, auf- oder abwärtsspringend,
  4. chromatische Skalen, aus tiefster Lage dumpf aufsteigend.

Derart disparate Elemente stehen zunächst völlig unkommentiert nebeneinander. Ein leichter Verdichtungsprozess führt zu einem ersten kleinen sogenannten "Durchbruch" nach D-Dur, und zum Einatz eines "Hauptthemas" dieses ersten Sates, das nichts anderes ist als das zweite der "Lieder eines fahrenden Gesellen" mit dem Titel "Ging heut morgen übers Feld".

(( "Durchbruch" ist übrigens seit Adorno ein terminus technicus der Mahler-Betrachtung [adorno]. Die Erste Sinfonie in ihrer Ganzheit, also über alle vier Sätze, kann verstanden werden als organisiert um eine Kette sich systematisch steigernder derartiger "Duchbruchs-Momenten". ))

Gieng heut morgen übers Feld
Thau noch auf den Gräsern hieng
Sprach zu mir der lust'ge Fink "Ei! du, gelt"
Guten Morgen! Ei Gelt? Du!
Wird's nicht eine schöne Welt? Schöne Welt?
Zink! Zink! schön und flink!
Wie mir doch die Welt gefällt.

Auch die Glockenblum am Feld
Hat mir lustig, guter Ding
mit dem Glöckchen, klingeling
ihren Morgengruß geschellt
Wird's nicht eine schöne Welt? Schöne Welt?
Kling! Kling! Schönes Ding!
Wie mir doch die Welt gefällt.
Heiah!

Liedtext und Sinfonie-Einleitung scheinen inhaltlich weitgehend parallel zu gehen: Der "junge Wandersmann" geht über's Feld und freut sich unterschiedlicher Sinneseindrücke. Im Lied bilden diese das Gegensatzpaar von visuellen und auditiven Natureindrücken. In der Sinfonie hingegen besteht der Gegensatz zwischen natürlichen Klängen ("Kuckuck"), und kulturellen (die "schönen Trompeten"), gehört durch das natürliche Filter der physikalischen Ferne.

Bei all dem vergißt der Geselle sogar für kurze Zeit seine unglückliche Liebe.

^Inh 2.3 Lieder und "Lieder"

Die ersten vier Sinfonien Mahlers sind auf das engste mit den zeitnah entstandenen Liedern verknüpft. Diese Gruppe wird auch oft "Wunderhorn-Sinfonien" genannt, nach der Textsammlung, die den meisten seiner Lieder zugrunde liegt.
Aber auch später ist die Beziehung zwischen den Werken der "sehr großen" und der "recht kleinen" Form allemal konstitutiv: Je nach Sinfoniesatz in unterschiedlichem Maße, --- auf der Ebene des Gehalts bis hin zum konrekt erklingenden Material. Siehe dazu die Synopsis in Abschnitt A.1 ("Die frühen Sinfoniesätze und ihr Bezug zu den Liedern").

Das Fundament von Mahlers Schaffens ist, in vielfacher Hinsicht, das Lied: zunächst das mit Klavierbegleitung, aber vielmehr noch das Orchesterlied. Die Stellung dieser Gattung im Gesamtwerk ergibt sich allein dadurch, daß sie mit der Sinfonie die einzige ist, in der er überhaupt tätig war.

Von diesen ist überdies seine "nullte Sinfonie" eine "Sinfonie-Kantate" mit dem Titel Das klagende Lied, seine vorletzte trägt keine Nummer, sondern heißt Das Lied von der Erde, eine Sinfonie für ....

Laut der Kammersängerin Brigitte Fassbaender ([fassbaender]) sind diese Lieder deshalb so schwer zu interpretieren, weil sie so ausdrucksvoll komponiert sind, weil "schon so viel Emotion in der Musik ist." Allein schon durch Faktur, durch quälende Harmonik, espressive Melodik und zerissenen Rhythmus drücken diese Lieder, die ganz frühen wie die Lieder eines fahrenden Gesellen mehr noch als die reiferen, schon dermaßen viel Schmerz und Verzweiflung aus, daß der Sänger/die Sängerin sich fast völlig zurücknehmen muß, um nicht eine Überstreibung (und damit ästhetische Zerstörung) hervorzubringen.
"Bei den Liedern eines fahrenden Gesellen ist es eine Gratwanderung ohnegleichen. Man nimmt sich vor, Distanz zu halten, und muss dann feststellen, dass es einfach nicht geht. Dieser Jammer, der einen da anweht, dem kann man sich einfach nicht entziehen. Und so bewegt man sich ständig am Rande des Abgrunds. Mahlers Lied Ich hab ein glühend Messer ist [...] der Aufschrei einer gequälten Seele, und es ist so komponiert, dass man zwangsläufig an die Grenzen des gesangstechnisch Machbaren gerät."

Diese Einlassung scheint eine wichtige Warnung für alle Komponisten!

Mahlers Lieder stehen in der unmittelbaren Nachfolge Schuberts. Weder Wagner noch Schumann scheinen dazwischen zu treten, und sein Zeitgenosse Hugo Wolf geht grundsätzlich andere Wege. Das Vorbild Schubert wird jedoch in keinem Falle nachgeahmt, sondern beide gehen, in ihren doch recht unterschiedlichen Epochen, von sehr ähnlichen politischen, ästhetischen und satztechnisch/kompositorischen Grundannahmen aus.

So können die "Lieder eines fahrenden Gesellen" als direkte Fortsetzung der "Winterreise" oder der "Schönen Müllerin" gehört werden. bis hin zu wörtlichen Rekapitulationen, wie der Melodie aus dem Trio des dritten Satzes des ersten Sinfonie, deren ursprünglicher, von Mahler selbst gedichteter, aber dem Wunderhorn nachempfundener Text heißt:

Auf der Straße steht ein Lindenbaum,
Da hab' ich zum ersten Mal im Schlaf geruht!
Unter dem Lindenbaum,
Der hat seine Blüten über mich geschneit,
Da wußt' ich nicht, wie das Leben tut,
War alles, alles wieder gut!

Die Stilmittel, die sozialen Zustände und die musikhistorische Sintuation sind nicht nur durch bloße achtzig Jahre verflossenere Zeit grundlegend andere geworden, sondern vielmehr durch das schiere Dutzend an Revolutionen in Europa, mehrere Republik- und Reichsgründungen, den Tristan, das kommunistische Manifest und den vollen Ausbruch der industriellen Revolution.

Beide Komponisten reagieren entsprechend ihrer Zeit und ihren Mitteln unterschiedlich. Gemeinsam sind ihnen allerdings die grundlegenden existentiellen Fragen, die ethische Position, die verbindliche Logik der Diatonie, die Wahl der anachronistischen Metaphern, und das große Fragezeichen nach dem Satz ...

"War alles wieder gut"

^Inh 2.4 Das Problem des Anfangens

Die eigentliche Begründung für die Gestalt der Einleitung zum ersten Satz von Mahlers erster Sinfonie findet sich jedoch auf der nur kulturell vermittelten Meta-Ebene des kompositorischen Kontextes: Der Komponist stand nämlich hier, wie alle anderen vor ihm und nach Beethoven, vor dem doppelten Problem: (a) wie überhaupt einen Sinfonie-Satz beginnen, und (b) wie das Lebenswerk eines Sinfonikers beginnen.

Der Beginn eines Sinfonie-Satzes ist seit den ersten Werken der sog. "Wiener Klassik" auf latente Weise, spätestens aber seit der Neunten Sinfonie auch auf explizite Weise ein "Problem".

Das "Werden des musikalischen Themas aus dem Nichts" oder das "Aufdämmern der Idee" werden nämlich in den ersten Takten dieses Werkes auf paradigmatische Weise im doppelten Sinne des Wortes "thematisiert", nämlich (a) auf die Ebene der bewußten Rezeption gehoben, und (b) zu in der Durchführung verarbeitetes und in der Reprise wiederkehrendes Material verdichtet.

Im Sinne des Vortragsthemas kann der Anfang dieses ersten Satzes auch verstanden werden als das "Werden der musikalischen Idee aus den materiellen Bestimmungen des Klanges", --- der Verfasser wird nie vergessen, wie er als Kind die ersten Takte einer Schallplatteneinspielung hörte, meinte, das Einstimmen des Orchesters zu vernehmen, daß versehentlich mit aufgenommen worden wäre.

Die Problematisierung und Thematisierung des "Beginnens" hat eine lange Tradition seit der Vorklassik, erreicht hier ihren Höhepunkt, und wird, mit diesem schweren Schatten auf den Schultern, für alle nachfolgenden Komponisten schier unlösbare, zum ständigen Scheitern einladende Aufgabe:

So geht z.B. in allen ersten Sätzen der Sinfonien Bruckners (selbst in dem, der als einziger einen expliziten Einleitungsteil hat, dem der Fünften!) dem Anfangsthema jeweils mindestens ein(1) präludierender Takt voran, und meist hat das Hautpthema selbst dann eine steigernde, einführende, sich-selbst-erst-findende Verlaufskurve, --- ist gleichsam seine eigene Einleitung. (Die Neunte ist dabei ein Sonderfall, oder vielmehr Ziel- und Höhepunkt dieser Entwicklung, da man nicht weiß, welches der beiden Themen das "Haupt-Thema" sein soll!)

Ähnlich versucht Mahler hier, sowohl (a) herausragende, Aufmerksamkeit heischende Originalität des Anfangens, als auch (b) Thematisierung des Beginnens als solchem und (c) äußerste Organizität des Einleitungsprozesses zu erreichen. Dieser soll sich "aus sich selbst heraus" ergeben, mit dem Eindruck von Zwangsläufigkeit. Also gleichsam "natürlich". Aber das Wort "natürlich" nach seiner dialektischen Spiegelung, --- im Sinne hochelaborierter, historisch vermittelter Kunst-Musik, an deren Regeln Jahrhunderte gefeilt worden ist, bis sie zur "zweiten Natur" wurden.

Prätendiert aber wird, daß all dies reine "Umwelt" sei:

Betrachten wir genauer, wie die Introduktion organisiert ist (Notenbeispiel 1):

  1. Die ersten Töne sind "a-e", die fallende Quarte, gespielt in vier parallelen Oktaven von zwei Klarinetten, Oboen und Piccoloflöte.
  2. Bereits das erste "a" enthält schon deutliche Anteile von "e", nämlich als den jeweils dritten Partialton des "normal gespielten" Holzbläserklanges, im Ggs. zum Liegeklang der Streicher.
  3. Dies "e" wird dann mit der zweiten Note explizit gemacht, wird zum Grundton. Es wird damit der im Streicherspekturm "naturwidrigerweise" fehlende Anteil durch dieses Fehlen "natürlicherweise" hervorgerufen.
    Diese fallende Folge "a-e" ist somit die ins "Kulturelle", ins bewußt Gestaltete gewendete Version der steigenden Quitne "a-e" des Partialtonspektrums.
  4. Die fallende Quarte wird zwei Takte später eine Oktave tiefer wiederholt, wie ein matteres Echo.
  5. Es folgt im selben Zeitabstand noch eine Wiederholung, aber unmittelbar übergehend in eine sequenzierende Wiederholung; a--e--f--c--d--b.. Dadurch wird zum ersten Mal Tonalität etabliert, hier ein d-moll, oder auch ein a-phrygisch.
  6. Auf dieser Stufe, dem erreichten b, das liegenbleibt und sich so aufs deutlichste mit den a's reibt, erklingt nun eine erste Trompetenfanfare, gespielt von den Klarinetten.
  7. Das b wiederum fällt nicht hinab zum a, wird im Gegenteil chromatisch über h zum c hochgezwungen.
  8. Und erst dieses c mit einem deutlichen Vogelruf, durch einen Sextschwung aufwärts, erreicht wieder den allerersten Anfang.
  9. In dem nur klassisch zu nennenden Bestreben nach äußerster "Organizität" des musikalischen Prozesse, wird dieser gesamte Vorgang als ganzer wiederholt. Diesmal aber ertönt die Fanfare nicht auf b, sondern (a) die Quartensequenz des Anfanges geht endlich dahin, wohin der Hörer sie schon beim ersten Male eigentlich haben wollte, nämlich hinab bis in das a. Auf diesem wird die Militär-Fanfare nun auch (b) von ihrem "realen" Instrument, der Trompete, gespielt. Diese allerdings befinden sich "in sehr weiter Entfernung aufgestellt": Tonaler Raum, Klangfarben-Raum, die imaginären Räume der Vorstellung des Hörers, der Raum der Erzählung und der konrete Aufführungssaal als Raum, sie alle werden hier in Beziehung gesetzt und kommentieren sich gegenseitig.

(( Nebenbei: Die drei Trompeter sollen, laut Partitur, nach dieser Stelle ihre Plätze im Orchester einnehmen. In der Zweiten Sinfonie wird noch viel mehr derariges Stühle-Rücken stattfinden müssen, was den Kritikern zu manch munterem Spott Anlass gab.
So die "Neue Zeitschrift für Musik", nach [ulm, S. 92]:
"[...]denn alsbald vernimmt man von Weitem einen Trompetenchor. [...] Rings um dem Saal ist bestimmt kein Raum unbenutzt geblieben. [...] denn von allen Seiten wurde getutet."
))

  1. Die fallende Quarte tritt als a-e und d-a auf, beschleunigt sich immer mehr, hin zum Vogelruf, der sein eigenes Echo wird, und anscheinend völlig unabhängig von den bedrohlichen Bässen und harmonischen Hörnern, vgl. Notenbeispiel 2.
  2. Seinen Höhepunkt und Durchbruchsmoment hat dieser Verdichtungsprozess dann nicht etwa mit/vor/zum Einsatz des Hauptthemas der angestrebten Exposition, sondern vielmehr mitten drin in diesem, mit dem "hohen a" auf der letzten Silbe der ersten Textzeile "Ging heut morgen über's Feld."

Das a über dem d nämlich ist die wahre, nicht nach unten verbogenen Quinte. Das in der Introduktion dutzend mal verleugnete Intervall nach oben ist das eigentlich gemeinte, die Antwort auf das sich zunehmend verdichtende abfallende "a-d". Das hohe a also ist das gemeinte, angestrebte, "natürliche".

Der Steigerungsprozess. der vom allerersten Klang bis zum siebenten Ton des Hauptthemas sich zieht, ist also trotz aller außermusikalischer Konnotationen ein von rein musikalischer Logik getragener, jenseits und unabhängig von aller außermusikalischer Programmatik.

"Wie ein Naturlaut" , --- so klingt die organische Introduktion als Ganze!

Mahler I/1 HTh-Einsatz
Notenbeispiel 2: Einleitung der Ersten Sinfonie: Quarten, Verdichtungsprozess und Themeneinsatz.

^Inh 2.5 Der innere Klang

Dennoch ist der Vortragende inzwischen der Überzeugung, daß hier zu Beginn des ersten Satzes der ersten Sinfonie tatsächlich ein überaus konkreter Naturlaut gemeint und komponiert ist, wenn auch von Mahler selbst völlig unbemerkt!

Vorweggeschickt sei, daß im Text verschiedener der Lieder eine deutliche Gleichsetzung von akustischen und optischen Wahrnehmungen erfolgt:

Singet nicht, blühet nicht,
Lenz ist ja vorbei
...
Auch die Glockenblum am Feld
Hat mir lustig, guter Ding
mit dem Glöckchen, klingeling
ihren Morgengruß geschellt
...
Und da fing im Sonnenschein,
gleich die Welt zu funkeln an
Alles, alles, Ton und Farbe gewann!

"Mit dem ersten Ton, dem langausgehaltenen Flageolett-A, sind wir mitten in der Natur: im Walde, wo das Sonnenlicht des sommerlichen Tages durch die Zweige zittert und flimmert", soll der Komponist selbst gesagt haben (lt. [bauerlechner, S.148-153], zitiert nach [schlueter, S.54]).

Ich meine nun, dieses "a" ist in einer zweiten Bedeutungsschicht hingegen die Nachbildung eines überaus konkreten Klanges, wenn auch eines inneren. Es ist nichts anderes als der "natürliche Tinitus", das Flirren des Gehirnes selbst, was dieses produziert, wenn alle Reize fehlen.

Mahler war ein sehr "geräuschempfindlicher" Mensch: Einerseits mit der belastenden Konsequenz, daß kleinste Geräusche wie Vogelgezwischter seine Konzentration zerstören konnten, --- im Gggs. zu Mozart, der bekanntlich im Wirtshaus niederschrieb, was er zuvor auf der Kutschfahrt erdachte. (So bekanntlich bei La clemenza di Tito.)

Aber andererseits auch mit der produktiven Konsequenz, daß das Geräusch des Eintauchens der Ruder bei einer Kahnfahrt auf dem Wörthersee den Charakter der Introduktion zur Siebenten Sinfonie evozierte und so eine monatelange Blockade schlagartig löste ("Beim ersten Ruderschlag fiel mir das Thema ...ein -- und in 4 Wochen waren 1., 3. u. 5. Satz fix und fertig!", [mahlerA, S. 204], nach [staehr].)

Ich meine deshalb: Was hier dargestellt wird ist der natürliche psycho-interne Vorgang der Inspiration, das Werden von Musik im Schädel des Komponisten, an dessen Anfang das Pfeifen des leerlaufenden Bewurßtseins steht, --- dann der Entschluß, "wer a sagt, muß auch e sagen", woraus sich alles weitere zwangs-läufig, "auf das natürlichste", ergibt.

^Inh 2.6 Natürliches und Kultürliches in gegenseitiger Verschränkung

Die Bedeutungsschwere einer "ersten" Sinfonie für das gesamte Lebenswerk eines Sinfonikers macht einen bewußten, ja programmatischen Umgang mit Material und Form unumgänglich. Hier nun zeigt sich ein Grundprinzip aller weiteren Werke bereits in vollständiger Ausprägung: Formale Gestaltung als Überlagerung von konventionellen und spontanen Modellen.

In diesem ersten Satz wird systematisch konventionelle Form behauptet.: (1) Das "Gesellen-Lied" geriert sich wie ein "Haupt-Thema", (2) der exponierende Formteil wird ganz klassisch wiederholt, als handelte es sich hier um einen normalen "Sonatenhauptsatz", (3) der langsame Anfangs-Teil soll dann wie die romantische Version der klassischen Einleitung verstanden werden, wie bei Haydn, Beethoven, Schumann, etc. (4) ein vorerst letzter "Durchbruch" in diesem ersten Satz führt zu einem überdeutlichen "Reprisengefühl".

Das alles aber ist zunächst nur Behauptung klassischer Form. In der Tat ist dies nur eine von zwei unabhängigen Ebenen, denn die Sinfonie kann als sinnvolles Ganze, wie bereits erwähnt, nur dann begriffen werden, wenn die Folge von "Durchbruchs-Momenten" in beiden Ecksätzen als ein zusammenhängedes Gerüst wahrgenommen wird, ähnlich wie später in der Fünften.

So wie also Formmodelle, die "ad hoc", für dieses eine Werk spezifisch aufgestellt werden, mit überlieferten kombiniert werden, so kombiniert sich, auf kleinerer Skala, historisch vermitteltes Material mit der Natur scheinbar direkt entnommmenem, und dies in munter wechselndem Kontrapunkt von Unter-, Über- und Beiordnung:

Dabei ist zu beachten, daß manche kulturellen Phänomenen auch als "zweite Natur" bezeichnet werden können, --- daß die "menschliche Natur" ein zweifellos kulturelles Phänomenen ist, das so selbstverständlich geworden, daß es "wie natürlich" erscheint.

"Wie ein Naturlaut" meint also hier, wie immer im sinfonischen Werk Mahlers, durchaus Verschiedenartigstes:

  1. Physikalischer Natur ist das Partialtonspektrum, auch genannt "Naturtonspektrum", das die fallende Quarte hervorbringt (und später, in der Zweiten Sinfonie dann noch deutlicher die steigende Quinte).
  2. Kulturell (im weitesten Sinne des Wortes) sind hingegen Militär-Fanfare und Jagdhorn-Gesang,
  3. Natürlich aber ist der Effekt, daß diese, wenn man wirklich über's Feld geht, nur von weitem herüberwehen, ...
  4. was aber umschlägt in Natur-a-lismus , wenn dieser akustischen Effekt in den Einleitungstakten eines sinfoninschen Werkes im Konzertsaal stattfindet.
  5. Der dann sich aber abspielende Effekt, daß der Schall sich an den Saaltüren bricht, ist wiederum ein physikalisch-natürlicher höchsten Grades, bringt die Tatsache, daß hier "getutet" wird, schmerzhaft-unmißverständlich ins Bewußtsein, und induziert hier beim ablenkungssüchtigen Hörer dialöektischerweise gerade eine Verstärkung der Illusion durch dessen aktive Gegenwehr.
  6. Ist die Quartfolge a-e auch einerseits durch eine negative Maßnahme, das Fehlen der Quinte, aus den physikalisch/physiologischen Natur abgeleitet, so ist sie doch auf komplexeste Art kulturell vermittelt durch die Reaktion auf Beethovens Neunte Sinfonie, wo ein ähnlicher Verdichtungsprozess hin zur Tonika "d" ja mit dem Quintfall "e-a" beginnt.
  7. Kulturell vermittelt sind weiterhin (1) das Vorhandensein einer Introduktion als solches, und (2) auch der erste chromatische Schritt b-h-c, der zum Anfangs-a zurückführt, kann als Reflex auf das des(notiert cis)-d-es des Eroica-Anfangs gehört werden.
  8. Die Vogelstimmen, besonders die aufwärtsspringende Sexte vor Ziffer 1, die die Rückkehr zum a und zur ersten Motivwiederholung bewirkt, sind einerseits Reflexe auf das "U-hu-i" aus der Wolfsschlucht-Szene von Carl-Maria von Weber, andererseits werden sie in der ähnlich disparaten Introduktion der Dritten Sinfonie wieder zentrale Funktion erfüllen.

^Inh 2.7 Der Wendepunkt der Zweiten Sinfonie

Gehen wir über nicht nur zur nächsten Sinfonie, sondern auch von den Streichern zu den Blechbläsern. Diese können nämlich, durch unterschiedlichen Druck und Lippenspannung gesteuert, ausschließlich die beschriebenen Partialtöne hervorbringen. Auf Alphorn und auf Gartenschlauch ist damit die steigende Quinte, der Übergang vom zweiten zum dritten Partialton, das Ur-Intervall schlechthin.

Die bei modernen Blechbläsern vorhandenen Ventile ändern an dieser Einschränkung gar nichts. Vielmehr verändern sie die Länge des Rohres. Damit verschieben sie den Grundton und so das Partialtonspektrum als ganzes.

Die typischen Quint- und Oktavsignale vom Horn gespielt lassen den Jäger und den grünen Wald assoziieren, --- von der Trompete gespielt hingegen das Militär. Sie tun dies, weil sie im Naturtonspektrum bleiben und ohne Ventile spielbar sind.

Mit der Zweiten Sinfonie hat der Komponist jahrelange gerungen: Während die ersten Sätze fertig waren, der erste als eigenständiges Werk namens Todtenfeier gar schon uraufgeführt, war der Schluß lange Zeit vollig unklar.

Die Trauerfeier für Hans von Bülow, bei der auch Verse von Klopstock vorgetragen wurden, inspirierte dann Mahler zu einem Chor-Finale über diese, von ihm selbst allerdings weitergedichteten, Zeilen (Brief an Arthur Seidl, [briefe, S. 223]).

Wie Beethoven bedient er sich einer rein formalen, absolut-musikalischen Legitimierung des Einsatzes der Singstimme, wie Schenker sie aufgewiesen hat [schenker_BeetIX] : Der Finalsatz ist zweiteilig, der erste Teil rein instrumental, der zweite (wie ein riesiger "Nachsatz", um mit Schenker zu reden) inhaltlich und formal parallel aufgebaut, aber nun unter Einschluß der menschlichen Singstimme.

An der Wendestelle steht nun der sog. "Große Appell", --- eine wirkliche Szene für in der Ferne aufgestellte Hörner und Pauke und vier Trompeten aus vier verschiedenen Richtungen, wozu nur noch Flöte und Piccolo-Flöte im Orchester lebendig geblieben.

Auch hier wieder eine mehrfach gespiegelte Metaphorik: Die Flöten spielen Vogelstimmen, die für Vögel stehen, die aus dem Himmel zum Erwachen rufen.
Da sie der letzte übriggebliebene Rest des ansonsten verstummten Orchesters sind, lönnten sie aber auch verstanden werden als der allerletzte Rest der Subjektivität, --- als die Seele selbst, die hier "zur Auferstehung gerufen" wird.

Manchmal aber erinnert eine Figurierungen eher an die Dreiklansbrechungen, mit denen Flötisten beim allgemeinen Einstimmen des Orchesters die Beweglichkeit von Klappen und Fingern testen, --- allerdings dann in d-moll, statt wie hier in cis-moll!

Die Hörner spielen, mehrfach besetzt, das Ur-Intervall der austeigenden "Natur-Quinte", und die Trompeten, aus allen vier "Himmels-Richtungen" schmettern Triolen, die halb Fanfare sind, und halb ebenfalls zu Blech erstarrter Vogelruf, --- ähnlich wie sie am Ende vom zweiten Akt des Siegfried im Ring auftauchen.

All dies Disparate findet sich endlich zu einem Gesamtklang cis-moll/des-moll, der als Akkord erklingt, aber gleichsam "mit Raum gefärbt" ist. Nach dessen langem Veklingen, "sich verlierend" heißt es in der Partitur, setzt dann, ppp und unbegleitet, gleichsam wie "die Konsequenz der Tatsache, daß die Instrumental-Musik zu ihrem Ende kam", der unbegleitete Chor in Ges-Dur ein.

San Francisco Symphony Orchestra & Choir, Herbert Blomstedt, DECCA 443 352 -2
track 5, ab 15:47

Hörbeispiel 2: Die Umbruchstelle (Mitte) des letzten Satzes der Zweiten Sinfonie

^Inh 2.8 Das Posthorn im Walde, resp. in der Dritten Sinfonie

Auch die Dritte Sinfonie gehört noch zu den sog. "Wunderhorn-Sinfonien"; also denen, die jweils eine sehr enge, wenn auch je verschiedenartige Beziehung zu den Klavier- und Orchesterliedern haben.

Ähnlich wie bei der Ersten (Brief an Max Marschalk, [briefe, S. 169]) gab es zunächst ein Programm, welches dann zurückgezogen wurde. Danach stellten die Sätze die Stufenfolge der Entwicklung von Natur über Geist zu Transzendenz dar:

  1. Pan erwacht. Der Sommer marschiert ein
  2. Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen
  3. Was mir die Tiere im Walde erzählen
  4. Was mir der Mensch erzählt
  5. Was mir die Engel erzählen
  6. Was mir die Liebe erzählt

Der ersts Satz ist ein gewaltiger Sonatenhauptsatz von fast 35 Minauten Dauer. Er wurde als letzter komponiert. (Brief an F. Löhr von 29.8.95, [briefe, S. 150]).

(( Dieser erste Satz war der längste dem Verfasse bekannte Sonatenhauptsatz, bis er selbst seine f-moll-Sonate [lepperfmoll] schrieb !-))

Die Sätze 4 und 5 sind wieder mit Sologesang und Chor, den Abschluß bildet ein Adagio von Brucknerschem Ausmaß. Der dritte Satz, unsprünglich mit dem Titel "Was mir die Tiere im Wald erzählen", ist formal ungefähr ein Scherzo in einer dreiteiligen Liedform. Die Abfolge der Formteile kann dargestellt werden als

A B A B C A B C Coda

Dabei kombinieren sich, wie fast immer bei Mahler, Gestaltungsmittel der dynamischen Sonatenhauptsatzform mit eher statischer strophischer Gliederung.

Die A-Teile sind eine orchestrale Aufblähung des Klavierliedes Ablösung im Sommer aus der Sammlung Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit, beginnend mit der Zeile "Kuckuck hat sich zu Tode gefallen":

Kuckuck hat sich zu Tode gefallen
An einer grünen Weiden,
Kuckuck ist tot! Kuckuck ist tot!
Wer soll uns jetzt den Sommer lang
Die Zeit und Weil vertreiben?

Ei, das soll tun Frau Nachtigall,
Die sitzt auf grünem Zweige;
[Die kleine, feine Nachtigall,
Die liebe, süße Nachtigall!]
Sie singt und springt, ist allzeit froh,
Wenn andre Vögel schweigen.

Schon der Ausgangspunkt ist dreifach indirekt:

  1. Die einleitenden Klaviertakte des Liedes bilden ein Hauptmotiv des gesamten Satz, sie ahmen einen Vogelruf nach, aber eher den der Ammer als den eines Kuckucks !-)
  2. Der Text des Liedes ironisiert dann die Haltung des Publikums zu den Musikern.
  3. Dieses beides wird nun rück-übersetzt in eine orchestrale Darbietung. Dabei kommt sowohl das Hauptmotiv seinem akustischen Vorbild näher (Klarinette statt Pianoforte), als auch die Gesangsmelodie dem Textinhalt (Flöte statt Gesang auf die Worte "Ei, das soll tun Frau Nachtigall,/ Die sitzt auf grünem Zweige;").

Die Behauptung, daß in diesem Satz die Tierwelt "erzähle", die im folgenden mehr und mehr außer Kontrolle gerät und ihre aggressiven Seiten zeigt, wird dann ex negativo bestärkt, in dem etwas explizit kulturhaftes, nicht-natürliches eindringt und konstrastiert: Gleichsam als "Trio" dieses Satzes, also als "C-Teil", dient nämlich ein Posthornsolo.

Dieses ist eingebettet in eine Streicherfläche, ähnlich wie ein reales Posthorn auf einer Waldstraße in sein Echo eingebettet wäre.

Interessant für unser Thema sind besonders alle Übergangs-Stellen:

Die erste Trompete evoziert das Horn-Solo durch eine dreißig Takte vorher einsetzende andauernde Brechung der "leeren Quinte" f-c, des Naturton-Spektrums, die unbeachtet des harmonischen Geschehens im restlichen Orchester orgelpunktartig durchklingt, die also, obwohl der Instrumentalist ja durchaus "normal" im Orchester sitzt, etwas Fremdes, Fernes, Exterritoriales, Einbrechendes darstellt. Dies wird unterstützt durch die Verwendung des Dämpfers.

Diese Trompete wird überblendend abgelöst durch das Posthorn, welches "wie aus weiter Entfernung" klingen soll, und bei Aufführungen meist auch tatsächlich von außerhalb des Saales hereinklingt.

Die geteilten Violinen unterstützen dessen Melodie: Zunächst nur akkordische Abfärbung, malen sie gleichsam das sich in der Halle des Waldes ergebende Echo. Bald aber ergeben sich an wenigen Stellen durch geringstmöglichen Aufwand, nämlich durch Einführung chromatischer Durchgänge, auf gleichsam "natürliche Art" (die aber in Wahrheit bestenfalls "organische" genannt werden dürfte) sogar echte Kontrapunkte.
Hier kann deutlich ein Schwanken, ein Wechseln unseres Wahrnehmungs-Modus beobachtet werden: Zwischen quasi-natürlicher "Pedalisierung" und "mehrstimmigem Musizieren".

Wichtig für unser Thema auch die Stellen, an denen das Orchester-Tutti nach dem Solo wieder einsetzt. Stellen die A-Teile der Rondoform die Tiere des Waldes dar, so bringt das Posthorn sie gleichsam zum Schweigen, und nach dessen Verstummen erwachen ihre Stimmen wieder, um das Gehörte zu kommentieren.

Das Ende des Posthorn-Solos ist beide Male eine Integration in das Orchester: Zum fernen Horn treten zwei "normale" Hörner des Orchesters, übernehmen dessen Motivik und überlagern es gar zuletzt. So verstummt das ferne Horn, wird aber als Substanz in das Orchester hineingeholt.

Die Coda des Satzes beginnt mit einer typisch Mahlerschen Katastrophe: ein plötzlich hereinbrechendes es-moll, auf dem sich das ein weiteres Mal, nun gar in Posaunenklang transformierte und augmentierte Hauptmotiv nach oben reckt. Der Übermut und die Ignoranz, ja, die unter der Maske des Täppischen verborgene Grausamkeit der Tierwelt führt zu einem Ausbruch höchsten Ekels und Entsetzens, zu einer emotionalen Katastrophe, die das bisher Erklungene in einem neuen, benunruhigenden Lichte erscheinen läßt

Diese Stelle ist von ihrer harmonischen Disposition wieder typisch für einen "künstlichen Naturbegriff", für die "zweite Natur", die die geschichtliche Entwicklung organisch hervorgebracht hat. Wir sehen nämlich eine Türmung von Quarten. Dies ist eigentlich etwas sehr Unnatürliches, ja, Verbotenes, wird aber vom Komponisten wie selbstverständlich als erlaubt benutzt. Es wirkt auf den Hörer, wegen der eigentümlichen, gleichsam "mathematischen" Konsequenz dieser Sequenzierung, sogar als Kondensat von "Natürlichkeit"; eben weil es vom "Kultürlichen" der terz-bestimmten Dur-moll-Funktionalität so weit entfernt ist.

Mahler Dritte Sinf, Dritter Satz, Coda
Notenbeispiel 3: Zusammenbruchsstelle zu Beginn der Coda des dritten Satzes der Dritten Sinfonie

In seiner Siebenten Sinfonie (Einleitung zum ersten Satz) werden solche Quarttürmungen dann zu wirklichen Akkorden gerinnen, und wenig später Schönberg in seiner Harmonielehre zu einer ganz neuartigen Klassifikationsmethode für Akkorde nötigen.

(( Auch die spätere Emanzipation der Quint-Akkorde in Alban Bergs Violinkonzert wird durch diese Quartenakkorde unmittelbar vorbereitet. ))

Der Unterschied zu dieser reiferen Periode ist tatsächlich nur der mit "x" markierte Ton "des", der später wohl auch ein "es" wäre.

Konsequenterweise endet der Satz, von diesem Zusammenbruch sich nicht mehr erholend, sondern ihn krampfhaft überspielend, mit dem wiederholten, unentschiedenen Schwanken zwischen c-moll und C-Dur.

Wir hören nun den Großteil des Satzes, beginnend kurz vor dem ersten "C"-Teil, also dem Einsatz des Posthorns.

DSO Berlin, Kent Nagano,
Joachim Pliquett, Posthorn
Live aufnamhe September 1999
TELDEC 8573-82354-2
CD 2 track 2 / ab 4:50 bis schluss (17:00)

Hörbeispiel 3: Schluß des dritten Satzers der Dritten Sinfonie

^Inh 2.9 Der Schluß vom Lied von der Erde

Wir überspringen nun die mittlere Phase mit den rein instrumental besetzten Sinfonien vier bis sieben. Auch hier gäbe es eine Fülle von Beispielen für "synthetische Natur", angefangen bei den Herdenglocken im ersten Satz der Sechsten bis hin zum "röhrenden" Tenorhorn und den Vogelstimmen in der Siebenten.

An ersteren ist besonders interessant, daß eine meta-theoretische Anmerkung, ein explitzites Deutungsverbot dem Komponisten so wichtig war, daß er es in die Spielanweisung der Partitur aufgenommen hat. Diese lautet:

"Die Herdenglocken müssen sehr diskret behandelt werden, in realistischer Nachahmung von bald vereinigt, bald vereinzelnt aus der Ferne herüberklingenden Glöckchen einer weidenden Herde. --- Es wird jedoch ausdrücklich bemerkt, daß diese technische Bemerkung keine programmatische Ausdeutung zuläßt."

Die Achte Sinfonie, genannt "Sinfonie der Tausend", und damit sind gemeint "tausend Mitwirkende", ist ein stark herausfallendes Werk, da es "von Anfang bis Ende durchgesungen wird", wie der Komponist es selbst beschrieb. (([__])) --- Damals sein einziger wirklich großer Publikumserfolg, gilt es heute eher als eines der schwächeren Werke.

Danach blieb er dem Konzept des Vokalen treu und schrieb das aus sechs Orchesterliedern bestehende Lied von der Erde, das er im Untertitel als eine "Symphonie für eine Tenor- und eine Altstimme und Orchester" bezeichnete, es aber angeblich aus Aberglauben nicht mit der "Nummer Neun" versah. --- gefolgt von der dann doch so genannnten Neunten Sinfonie, nun wieder rein instrumental, und den Fragmenten zur Zehnten.
Alle diese Werke sind erst posthum uraufgeführt worden.

Hier nun erfolgt der zu Beginn erwähnte zweite Bruch, der weniger spektakulär-äußerlich als vielmehr satz-intern sich vollzieht, aber in der Fachwelt die eigentliche Nobilitierung des Komponisten bedeutet, worin seine Stellung als wirklicher Begründer der Moderne liegt: der Übergang (a) zu neuen Gesetzmäßigkeiten harmonischer Strukturierung, jenseits tonikaler Funktionalität, und zu (b) rhythmisch freier, nicht metrisch determinierter Kontrapunktierung.

Wenn dies sich auch bereits an Stellen in der Achten Sinfonie bereits deutlich vollzieht (z.B. Bi-Funktionalität bei Ziffer 180), so werden die Innovationen in diesem Werk noch durchaus verdeckt die Prächtigkeit seines äußeren Auftretens.
Endgültig manifest ist die neuartige Satzweise in Harmonik und Rhythmik in den erwähnten letzten Werken, wenn auch in jedem einzelnen Satz in je unterschiedlichem Grad und verschiedener Weise.

Das Lied von der Erde besteht aus einer Folge von sechs Orchsterliedern, abwechselnd von Tenor und Alt interpretiert.

Satz eins ist eine (im mehrfachen Sinnde des Wortes) schreiende Anklage gegen den Tod und die Endlichkeit des Lebens, und Satz zwei ist die Klage des Einsamen über seine Verlassenheit.

Dagegen stehen drei, vier und fünf als freudige, ja, ekstatische Feiern von Schönheit, Freundschaft und Rausch.

Der letzte, sechste Satz heißt Der Abschied.
Er beherrscht das gesamte Werk, ist so lang wie alle vorangehenden zusammen. Im Text findet statt der zeitlich allerletzte Abschied von einem besten Freund, schon im Bewußtsein des nahenden eigenen Todes. Inhaltlich bedeutet er eine metaphysisch begründete Einwilligung in die Endlichkeit und Begrenztheit, aber auch das Eingehen in die Unsterblichkeit und der Glaube an die Ewigkeit, hier metaphorisch projiziert auf die Unzerstörbarkeit des blauen Firmamentes.

Ein derart heikler Inhalt kann aber wirkungsvoll und ohne in nichtsagenden Kitsch abzugleiten nur indirekt vermittelt werden. Die allerletzten Textzeilen im Lebenswerk des Gustav Mahler und ihre Vertonung sind in mehrfacher Hinsicht negativ vermittelt:

Erstens:
Die hier fuer Ewigkeit gewählte Metapher ist "Endlosigkeit".
Also:
ewig ist, was kein Ende hat.
Und bei der Umsetzung in Musik kommt hinzu als eine zweite Metapher:
ohne Ende ist, was keinen Schluß hat.

Folglich endet das Werk nicht, sondern Orchester und Hörer blenden sich aus aus einem Vorgang, der weitergehen kann, aber nicht muß: Der letzte Klang ist einer, den man in konventionelleren, nicht sehr viel älteren Kontexten noch als "nicht-aufgelösten Sext-Vorhalt" bezeichnen müßte. Hier wäre diese Bezeichnung höchst unangebracht: Der Klang ist einfach ein Klang, der für sich steht, weitergeführt werden könnte, aber dessen nicht bedarf, --- das vielleicht erste wirklich "offene Ende" der Musikgeschichte.

Zweitens
Alltagswirklichkeit aber war zu Mahlers Zeit ein für uns heute schier unvorstellbares Maß an schamloser Umweltverschmutzung und -zerstörung, Schadstoffbelastung und Naturverdrängung, Mietskasernenelend, Ausbeutung und Unfreiheit.

Die "Fernen blauten" nicht, sie rauchten! Und "ewig" wäre das keinesfalls so weitergegangen.

Die "Erde" im Lied von der Erde ist also nicht nur Metapher für Leben und Vergeblichkeit, für Verzweiflung und Einwilligung, sondern ihrerseits etwas Bedrohtes, --- die "gute Erde" ist ein Gegenentwurf zur (seinerzeit) ungehemmten kapitalistischen Realität, ist selber bereits bedroht und war damals schon politisches Programm.

Der Schluß des Werkes ist mittlerweile bei den meisten Hörern und Nachfolgern, bei Kritikern und Wissenschaftlern anerkannt als einer der Gipfelpunkte der Musikgeschichte, auf Augenhöhe mit dem Schluß der h-moll-Messe und des Tristan, er ist sowohl persönliches, spirituelles Programm, als aber auch, aller scheinbar sich in Innerlichkeit zurückziehender Oberflächengestalt zu trotze, politische Kampfansage.
Auf daß es denn auch so bleibe, wie behauptet:

Die liebe Erde
allüberall
blüht auf im Lenz
und grünt aufs neu,
allüberall und ewig,
blauen licht die Fernen.
Ewig, ewig.

Colin Davis, London Symphony Orchestra, Jessie Norman, Sopran,
Studio London 1981
Track 6, ab Ziffer 55 (19:55) bis Schluss

Hörbeispiel 4: Schluß des sechsten (letzten) Satzes aus dem Lied von der Erde

^Inh A Materialien

^Inh A.1 Die frühen Sinfoniesätze und ihr Bezug zu den Liedern

Sinfonie Satz Lied Art des Bezuges
I 1 Ging heut morgen über's Feld Melodie des Liedes als Satz-Hauptthema
2
3/Trio Die zwei blauen Augen Melodie/Material/Satz des Liedes als Material des Trios.
Anfang des Liedes als Rückführungs-Motiv
4 Ich hab ein glühend Messer Augmentation des Grund-Gestus
II 1
2
3 Des Hl. Antonius von Paduas Fischpredigt Melodie/Material/Satz des Liedes als Material des A-Teiles des Satzes
4 "Urlicht (O Röschen Rot)" Wunderhorn-Lied IST der Sinfoniesatz
5
III 1
2 "Das himmlische Leben" B-Teil des Liedes wird zu B-Teil des Satzes
3 "Kuckuck hat sich zu Tode gefallen" Melodie/Material/Satz des Liedes als Material des A-Teiles des Satzes
4 "O Mensch, gib acht" Nietzsche-Lied IST der Sinfoniesatz
5 "Es sungen drei Engel" Wunderhorn-Lied IST der Sinfoniesatz
6
IV 1 (Konstitutive Vorgriffe auf das Material vom 4. Satz!)
2
3
4 "Das himmlische Leben (Wir genießen die himmlischen Freuden)" Wunderhorn-Lied IST der Sinfoniesatz

^Inh A.2 Zeittafel

Jahr Werk Leben Welt
1860 geboren
1861
1862
1863
1864
1865
1866
1867
1868
1869
1870
1871 Deut. Reich gegründet
1872
1873
1874
1875 Wien Konservatorium
1876
1877 externes Abitur
1878 Klagende Lied (Beginn d. Arb.) Kompositionsdiplom
1879
1880 Drei Lieder für Tenorstimme und Klavier Kapellmstr. Bad Hall
1881 Laibach
1882
1883 L.e.f.Gesellen (Klavier) Olmütz, Kassel
1884
1885 Prag
1886
1887 (bis 91) Neun Klavierlieder "Wunderhorn" / erschienen 92 als Heft2&3 der sog. "Jugendlieder"
1888 DIR. Budapest DREI-KAISER-JAHR
1889 UA 1. Budapest Erzherzog Rudolfs Tod in Mayerling, Nietzsche wahnsinnig, Eiffelturm
1890 Bismarck entlassen
1891 Hamburg
1892 (Beginn d Arb.: 12 Wunderhornlieder/Orchester) Konzertreise London
1893
1894
1895 UA 2. Berlin
1896 "Lieder e.f. Gesellen" instrumentiert und uraufgeführt
1897 WIEN, Konvertierung zum Katholizismus, Direktor der Hofoper
1898 "Sissi" ermordet, Bismarck stirbt
1899
1900 Nietzsche stirbt, Freud: Traumdeutung
1901 UA 4. München
Rückert-Lieder
1902 UA 3. Krefeld HEIRAT
1903 Erste gem. Prod. mit Roller : Tristan
1904 UA 5. Köln
Kindertotenlieder
1905
1906 UA 6. Essen
1907
1908 UA 7. Prag NEW YORK Metropolitan Opera Hitler kommt nach Wien
1909
1910 UA 8. München
1911 Tod
Nov: UA LvdE München
1912 UA 9 Wien

^Inh A.3 Texte

^Inh A.3.1 Lieder eines fahrenden Gesellen

1 ---

Wenn mein Schatz Hochzeit macht
Fröhliche Hochzeit macht,
Hab ich meinen traurigen Tag
Geh ich in mein Kämmerlein, dunkles Kämmerlein
Weine um meinen lieben Schatz.

Blümlein blau, Bümlein blau,
verdorre nicht, verdorre nicht.
Vöglein süß, Vöglein süß,
Du singst auf grüner Heide
Ach wie ist die Welt so schön!
Ziküth! Ziküth!

Singet nicht, blühet nicht,
Lenz ist ja vorbei
Des Abends wenn ich schlafen geh
Denk in an mein Leide!

2 ---

  1. Wichtig: Verteilung von Rufzeichen und Fragenzeichen.
  2. Naturbetrachtung als Metapher und als konkreter Anreiz für persönliche Empfindung
  3. Ineinssetzung von optisch und akustisch.

Gieng heut morgen übers Feld
Thau noch auf den Gräsern hieng
Sprach zu mir der lust'ge Fink "Ei! du, gelt"
Guten Morgen! Ei Gelt? Du!
Wird's nicht eine schöne Welt? Schöne Welt?
Zink! Zink! schön und flink!
Wie mir doch die Welt gefällt.

Auch die Glockenblum am Feld
Hat mir lustig, guter Ding
mit dem Glöckchen, klingeling
ihren Morgengruß geschellt
Wird's nicht eine schöne Welt? Schöne Welt?
Kling! Kling! Schönes Ding!
Wie mir doch die Welt gefällt.
Heiah!

Und da fing im Sonnenschein,
gleich die Welt zu funkeln an
Alles, alles, Ton und Farbe gewann!
Im Sonnenschein!
Blum und Vogel, groß und klein.
Guten Tag! Guten Tag! Ist's nicht eine schöne Welt?
Ei, du! Gelt? Schöne Welt?

Nun fängt auch mein Glückwohl an?
Nein, nein,
das ich mein
mir nimmer blühen kann!

3 ---

Ich hab' ein glühend Messer,
Ein Messer in meiner Brust,
O weh! Das schneid't so tief
In jede Freud' und jede Lust.
Ach, was ist das für ein böser Gast!
Nimmer hält er Ruh', nimmer hält er Rast,
Nicht bei Tag, noch bei Nacht, wenn ich schlief.
O Weh!

Wenn ich in dem Himmel seh',
Seh' ich zwei blaue Augen stehn.
O Weh!
Wenn ich im gelben Felde geh',
Seh' ich von fern das blonde Haar
Im Winde wehn.
O Weh!

Wenn ich aus dem Traum auffahr'
Und höre klingen ihr silbern' Lachen,
O Weh!
Ich wollt', ich läg auf der schwarzen Bahr',
Könnt' nimmer die Augen aufmachen!

4 ---

Die zwei blauen Augen von meinem Schatz,
Die haben mich in die weite Welt geschickt.
Da mußt ich Abschied nehmen vom allerliebsten Platz!
O Augen blau, warum habt ihr mich angeblickt?
Nun hab' ich ewig Leid und Grämen.

Ich bin ausgegangen in stiller Nacht
Wohl über die dunkle Heide.
Hat mir niemand Ade gesagt.
Ade! Mein Gesell' war Lieb' und Leide!

Auf der Straße steht ein Lindenbaum,
Da hab' ich zum ersten Mal im Schlaf geruht!
Unter dem Lindenbaum,
Der hat seine Blüten über mich geschneit,
Da wußt' ich nicht, wie das Leben tut,
War alles, alles wieder gut!
Alles! Alles, Lieb und Leid
Und Welt und Traum!

^Inh A.3.2 Ablösung im Sommer

Kuckuck hat sich zu Tode gefallen
An einer grünen Weiden,
Kuckuck ist tot! Kuckuck ist tot!
Wer soll uns jetzt den Sommer lang
Die Zeit und Weil vertreiben?

Ei, das soll tun Frau Nachtigall,
Die sitzt auf grünem Zweige;
[Die kleine, feine Nachtigall,
Die liebe, süße Nachtigall!]
Sie singt und springt, ist allzeit froh,
Wenn andre Vögel schweigen.

[Wir warten auf Frau Nachtigall,
Die wohnt im grünen Hage,
Und wenn der Kukuk zu Ende ist,
Dann fängt sie an zu schlagen!]

^Inh A.3.3 Das Lied von der Erde

Nr. 1 --- Das Trinklied vom Jammer der Erde

Schon winkt der Wein im goldnen Pokale,
Doch trinkt noch nicht, erst sing ich euch ein Lied!
Das Lied vom Kummer soll auflachend
in die Seele euch klingen. Wenn der Kummer naht,
liegen wüst die Gärten der Seele,
Welkt hin und stirbt die Freude, der Gesang.
Dunkel ist das Leben, ist der Tod.

Herr dieses Hauses!
Dein Keller birgt die Fülle des goldenen Weins!
Hier, diese Laute nenn' ich mein!
Die Laute schlagen und die Gläser leeren,
Das sind die Dinge, die zusammen passen.
Ein voller Becher Weins zur rechten Zeit
Ist mehr wert, als alle Reiche dieser Erde!
Dunkel is das Leben, ist der Tod.
äp Das Firmament blaut ewig und die Erde
Wird lange fest stehen und aufblühn im Lenz.(AENDERUNG MAHLERS!)
Du aber, Mensch, wie lang lebst denn du?
Nicht hundert Jahre darfst du dich ergötzen
An all dem morschen Tande dieser Erde,

Seht dort hinab!
Im Mondschein auf den Gräbern hockt
eine wildgespenstische Gestalt - Ein Aff ist's!
Hört ihr, wie sein Heulen hinausgellt
in den süßen Duft des Lebens!
Jetzt nehmr den Wein! Jetzt ist es Zeit, Genossen!
Leert eure goldnen Becher zu Grund!
Dunkel ist das Leben, ist der Tod!

Nr. 6 --- Der Abschied

Die Sonne scheidet hinter dem Gebirge.
In alle Täler steigt der Abend nieder
Mit seinen Schatten, die voll Kühlung sind.
O sieh! Wie eine Silberbarke schwebt
Der Mond am blauen Himmelssee herauf.
Ich spüre eines feinen Windes Wehn
Hinter den dunklen Fichten!

Der Bach singt voller Wohllaut durch das Dunkel.
Die Blumen blassen im Dämmerschein.
Die Erde atmet voll von Ruh und Schlaf,
Alle Sehnsucht will nun träumen.
Die müden Menschen gehn heimwärts,
Um im Schlaf vergeßnes Glück
Und Jugend neu zu lernen!
Die Vögel hocken still in ihren Zweigen.
Die Welt schläft ein!

Es wehet kühl im Schatten meiner Fichten.
Ich stehe hier und harre meines Freundes;
Ich harre sein zum letzten Lebewohl.
Ich sehne mich, o Freund, an deiner Seite
Die Schönheit dieses Abends zu genießen.
Wo bleibst du? Du läßt mich lang allein!
Ich wandle auf und nieder mit meiner Laute
Auf Wegen, die vom weichen Grase schwellen.
O Schönheit! O ewigen Liebens - Lebenstrunkne Welt!

Er stieg vom Pferd und reichte ihm den Trunk
Des Abschieds dar. Er fragte ihn, wohin
Er führe und auch warum es müßte sein.
Er sprach, seine Stimme war umflort: Du, mein Freund,
Mir war auf dieser Welt das Glück nicht hold!
Wohin ich geh? Ich geh, ich wandre in die Berge.
Ich suche Ruhe für mein einsam Herz.
Ich wandle nach der Heimat, meiner Stätte.
Ich werde niemals in die Ferne schweifen.
Still ist mein Herz und harret seiner Stunde!

Die liebe Erde allüberall
Blüht auf im Lenz und grünt
Aufs neu! Allüberall und ewig
Blauen licht die Fernen!
Ewig... ewig...

^Inh Bibliographie

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Theodor W. Adorno
Mahler: eine musikalische Physiognomik
Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1960
ISBN 3-518-01061-1

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Natalie Bauer-Lechner
Gustav Mahler in den Erinnerungen von Natalie Bauer-Lechner
Herbert Kilian(Hrsg.)
Hamburg, 1984

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Leonard Bernstein
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München, 1986

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Gustav Mahler
Briefe
Herta Blaukopf(Hrsg.)
Paul Zsolnay, Wien, 1996
ISBN 3-552-04810-3

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Schöne Stimmen - Brigitte Fassbaender
RBB Kulturradio, Berlin, 2010

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Johann Wolfgang von Goethe
Werke / Hamburger Ausgabe
München, 1986

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Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik
Vieweg, Braunschweig, 1863
ISBN 3-8102-0715-2

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f-moll Sonate op. 3
Berlin, 2009
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Gustav Mahler --- Erinnerungen und Briefe
Amsterdam, 1949

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Heinz-Klaus Metzger
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Musik-Konzepte Sonderband "Gustav Mahler"
Heinz-Klaus Metzger und Reinhard Riehn(Hrsg.)
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ISBN 3-88377-281-X

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Beethovens Neunte Sinfonie
Wien, 1912

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Wolfgang Schlüter
Die Wunde Mahler
in: [mksb89]

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Reinhard Schulz
Ist das nicht auch Unsterblichkeit? --- Mahlers philosophisch-geistiger Hintergrund
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Wolfgang Stähr
In Mahlers Gegenwart
in: [ulm]

[toland]
John Toland
Adolf Hitler
Weltbild, Augsburg, 2004

[ulm]
Renate Ulm
Gustav Mahlers Symphonien / Entstehung -- Deutung -- Wirkung
Renate Ulm(Hrsg.)
Bärenreiter, München, 2004
ISBN 3761818203




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